// //

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791)

Sinfonie g-Moll

1788 war für Mozart ein schwieriges Jahr. Zwar hatte er im Vorjahr mit seinem „Don Giovanni" in Prag einen grandiosen Triumph erlebt, in Wien wurde die Oper im Mai 1988 aber nur ein einziges Mal mit mäßigem Erfolg gegeben. Das Konzertereignis des Winters war die Aufführung von Carl Philipp Emanuel Bachs Oratorium „Die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu" in Mozarts Bearbeitung unter seiner Leitung.

Durch den sinnlosen Krieg gegen die Türken herrschte eine schwere Finanzkrise, der Adel sparte an allem, sodass es wenig Aussicht auf Einnahmen aus Notenverkauf oder Konzerten gab. Mozarts steckte bis zum Hals in der Schuldenfalle, und so zog die Familie in die Vorstadt Alsergrund, wo es billiger war, und er sich ohne Ablenkungen in die Arbeit stürzen konnte. In einem wahren Schaffensrausch schrieb er seine drei (letzten) Meister-Sinfonien und eine Menge außergewöhnliche Kammermusik, vieles davon in Moll.

Auf Drängen seiner Frau Constanze und seines Freundes und Gönners Baron van Swieten befasste er sich intensiv mit den Fugen Johann Sebastian Bachs. Dabei muss ihm aufgegangen sein, dass Kontrapunktik, barocke Figuren- und Affektenlehre mehr sein kann als trockene Übung zur Erlernung des Handwerks. Ihm tat sich eine neue Welt mit ungeahnter emotionaler Tiefe und neuen Dimensionen des Ausdrucks auf. Die freiheitlichen Ideen der Freimaurer, in denen die Beschäftigung mit dem Tod eine große Rolle spielt, haben ihn sicher auch beeinflusst. Vier Wochen vor der Vollendung der Sinfonie starb außerdem seine 6 Monate alte Tochter Therese; nun war von 4 Kindern nur der 4-jährige Carl übrig. Ein Besucher berichtet, dass der Kleine im Garten umherging und Rezitative sang, während seine Mutter Federkiele für den Notenkopisten schnitzte. Im Vorjahr war zudem Mozarts Vater Leopold gestorben, der ihn immer wieder darin erinnert hatte, beim Komponieren auch an die „langen Ohren" der musikalischen Esel zu denken. Jetzt musste der Sohn allein seinen Weg gehen. Er tat das kompromisslos.

In der g-Moll Sinfonie, dem Herzstück der 3 Werke, gärt und brodelt es, alles ist in einem komplizierten Schwebezustand. Die ungewöhnlichsten Entwicklungen werden formal aber so gut gebändigt, dass Robert Schumann von „griechisch schwebender Grazie" sprechen konnte. Über dem ersten Satz könnte als Motto stehen: „O wie ängstlich, o wie feurig klopft mein liebevolles Herz." Schroffe Gegensätze stehen sich auf engstem Raum gegenüber, piano und forte, zarte melodische Linien und zerrissene, wild springende Dreiklangsbrechungen. Der Satz beginnt im Piano mit dem „Herzklopfen" der geteilten Bratschen, über dem sich das berühmte Hauptthema entwickelt. Es weiß mit wiederholten Seufzermotiven und einem Aufschwung noch nicht recht wohin und mündet in energischen Forteschlägen der Streicher, denn eine Pauke ist nicht besetzt.

Im 2. Thema begegnet uns gleich eine besonders wichtige musikalische Figur der Barockzeit, der „Passus duriusculus", der etwas harte Gang. Das bedeutet: die Melodie geht in Halbtonschritten eine Quart abwärts, manchmal auch aufwärts. Diese Figur steht für Schmerz, Trauer, Klage, die kleinen Schritte in der Krise, in der man noch nicht weiß, worauf es hinauslaufen wird. Sie kommt in dieser Sinfonie in jedem Satz vor, häufig geht sie sogar noch einen Schritt über die Quart hinaus und bleibt beim beunruhigenden Tritonus stehen.

Viele Themen der Sinfonie, die alle weitläufig miteinander verwandt sind, stehen im doppelten Kontrapunkt, d.h. die Melodie bekommt eine kontrastierende Gegenmelodie und man kann beide vertauschen, ohne dass Satzfehler entstehen. Das tut Mozart hier häufig und erreicht dadurch eine ganz eigene Klangwirkung. In der Durchführung muss sich das Hauptthema einiges gefallen lassen. Es wird zerpflückt, bleibt in der Luft hängen und muss sich gegen ein rabiates Staccatogetümmel in der Gegenstimme durchsetzen. Harmonisch wird es in weit entfernte Tonarten entführt.

Auch das Andante beginnt mit dem Pochen der Bratschen, dem Instrument, das Mozart im Freundeskreis am liebsten spielte. Anschließend findet sich ein Motiv, zu dem später in der „Zauberflöte" Tamino „Ich fühl es" singen wird. Das Thema endet im chromatischen Quartgang, der hier wie ein resignierender Seufzer klingt. Nervös-seufzende Sechzehntelfiguren bedrängen die elegische Stimmung.

Das Menuett im energischen Forte ist ungewohnt dramatisch und lehnt sich synkopisch gegen das Diktat des Dreivierteltaktes auf. Aber auch hier findet sich der Halbtonabwärtsgang, wenn auch nur ganz versteckt im Fagott. Das Trio dagegen ist unbeschwerte alpenländische Volksmusik im Klangfarbenwechsel zwischen Bläsern und Streichern.

Im Schlusssatz ist aus dem zögernden Aufschwung am Anfang der Sinfonie ein über eine Dezime aufspringendes Motiv geworden, die Bekräftigung umspielt den erreichten Ton im Forte. Daraus entwickeln sich wildjagende Tonleiterfiguren, die sich gegenseitig ins Wort fallen.

In der Durchführung bricht dann der musikalische Hexensabbat richtig los. In den ersten acht Takten kommen gleich alle 11 Halbtöne der chromatischen Leiter vor, nur der Grundton ist ausgespart. (Schönberg war ja schließlich auch ein Wiener). Dann folgt ein Parforceritt durch den Quintenzirkel, die Stimmen jagen in kurzen Abständen hintereinander her und versteigen sich in noch entferntere Tonarten.

Im 2. Thema findet sich wieder der chromatische Gang, in der Reprise auch aufwärts, danach wieder abwärts in den Bratschen und mit dem Grundton g umspielt in den 1. Geigen. Mit vielen wiederholten Kadenzen und Tonleitern wird am Schluss die glücklich wiedergefundene Grundtonart bekräftigt.

Die Sinfonie ist sicher zu Mozarts Lebzeiten aufgeführt worden, denn er hat für seine Freunde Anton und Johann Nepomuk Stadler Klarinettenstimmen hinzugefügt. Verstanden wurde sie eher nur von wenigen seiner Zeitgenossen und auch die Popularität, die sie nach seinem Tode errang, scheint oft eher auf Missverständnissen zu beruhen. Wolfgang Hildesheimer sagt über Mozarts Schaffen: „An diesem Werk ist alles von sublimer Fremdheit, alles unheimlich und, objektiv gesehen, alles wesentlich." (bw)

Nächster Probentermin

    27 Apr 2024

    Probe 15:00 - 18:00

Newsletter

Nie wieder ein Konzert verpassen: Wenn Sie gerne über unsere Konzerte werden möchten, melden Sie sich für unseren Newsletter an.
Datenschutzbestimmung akzeptieren

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.